Videokunstaus NRW -Sammlungenstellen sichvor
Nordrhein-Westfalen war seit Ende der 1960er-Jahre einer der lebendigsten Orte der künstlerischen Avantgarde und besonders der frühen Videokunst. Früh entstanden hier wichtige Sammlungen – mit einem besonderen Fokus auch auf die zeitgenössische regionale Videokunstszene –, die heute noch bestehen und einen einzigartigen Einblick in die Geschichte der frühen Videokunst in Deutschland gewähren können.
Die Veranstaltungsreihe Videoarchive erzählen stellt einige der wichtigsten Institutionen mit ihren Videokunst-Sammlungen vor: das Kunstmuseum Bonn, das Ludwig Forum für Internationale Kunst Aachen, das Museum Folkwang in Essen, die Stiftung imai in Düsseldorf sowie die Videonale Bonn.
Jede Sammlung hat ihren eigenen Schwerpunkt. Die eigens für die Programmreihe zusammengestellten Videoprogramme präsentieren einen ausgewählten Themenbereich aus der Sammlung. Die Präsentationen werden flankiert durch Einführungen und Vorträge.
Finissage VIDEONALE.17 und Auftakt-veranstaltung Videoarchive erzählen:
Videoarchive erzählen Die Sammlung Ingrid Oppenheim
Depotführung im Videoarchiv des Kunstmuseum Bonn mit Maximilian Rauschenbach.
Im Anschluss: Vorstellung des ProjektesVideoarchive erzählen mit Videoprogramm im Auditorium.
Die Geschichte der Videosammlung des Kunstmuseum Bonn ist auf das Engste mit dem Namen Ingrid Oppenheim verknüpft. Sie übergab dem Museum 1980 ihre umfangreiche Sammlung von Künstler*innen-Videos als Dauerleihgabe. So beabsichtigte sie – über die Zeit ihrer eigenen Galerietätigkeit hinaus – die von ihr zusammengetragenen und produzierten Bänder für eine interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu halten. Nach dem plötzlichen Tod der Stifterin 1986 entsprachen ihre Töchter vorbehaltslos dem Wunsch der Mutter und übereigneten mit einer umfassenden Schenkung die Videosammlung Oppenheim dem Kunstmuseum Bonn. Nach nun mehreren Jahrzehnten ist deutlich, wie hervorragend dieser einzigartige Bestand in einem deutschen Museum die Entwicklung des deutschen und amerikanischen Kunstvideos vermittelt.
In den 1970er-Jahre, in der die Videokunst erste Errungenschaften verzeichnete, agierten einige der Künstler*innen ohne Publikum im Atelier vor der Kamera. Das mediale Bild fungiert in diesen Fällen als narzisstischer Spiegel und elektronisches Gestaltungsmaterial zugleich. Für Zuschauer*innen öffnet es ein Fenster. Er/Sie erhält Zugang zu einem bereits vergangenen Geschehen. Andere Akteur*innen setzen den organischen Leib mit der Kamera gleich und nehmen ihre Umwelt aus der Körperperspektive wahr. In Performances vor Publikum oder im öffentlichen Raum erfüllt das Video zu dieser Zeit ebenfalls eine zentrale mediale Funktion. Bei der aufkommenden Überwachung des öffentlichen Raums durch Videokameras, dokumentieren die aufgenommenen Bilder nicht nur einen zufälligen Ausschnitt von soziokulturellen Strukturen und menschlichen Verhaltensweisen, sondern demonstrieren auch die mediale Kategorie der Überwachung und den voyeuristischen Blick. Die beiden Pole – Kontrolle und Selbsterfahrung – zwischen denen der Körper performativ verhandelt wird, bilden den großen Themenschwerpunkt der frühen Videoarbeiten und stellen dem televisionären Bildersirup ein neues Selbstbild gegenüber.
Branda Miller L.A. Nickel 1983, 10:00 Min.
Dennis Oppenheim Transfer Drawing 1971, 10:00 Min.
Astrid Heibach Universal Input/Output 1983, 22:00 Min.
Denis Beaubois In the Event of Amnesiathe City will Recall1997, 8:30 Min.
Friederike Pezold Die neue leibhaftige Zeichensprache nach den Gesetzen von Anatomie, Geometrie und Kinetik 1973-76, Exzerpt, 5:00 Min.
Dieter Froese Not a Model for Big Brother’s Spy-Cycle 1980/81, 16:00 Min.
Mit einer Einführung von Maximilian Rauschenbach, M.A., Verein der Freunde des Kunstmuseum Bonn e.V.
Do. 23.05.2019, 18 Uhr Ludwig Forum für Internationale Kunst Aachen
So. 07.07.2019, 12 Uhr Kunstmuseum Bonn, Auditorium
Befruchtet durch die geographische Nähe zu den Niederlanden und Belgien sowie zu Düsseldorf und Köln öffnete sich die 1970 in Aachen gegründete Neue Galerie von Beginn an der noch recht jungen Videokunst. Unter der Leitung von Wolfgang Becker wurden bis weit in die 1980er-Jahre Videoarbeiten für die städtische Sammlung erworben und ausgestellt. Das Videoarchiv des Ludwig Forum für Internationale Kunst, Nachfolgeinstitution der Neuen Galerie, umfasst ca. 200 Videoarbeiten der 1960er- bis 1980er-Jahre; viele davon sind substanziell für die Geschichte des künstlerischen Bewegtbildes.
Schon mit dem Beginn der Videokunst wurden unterschiedliche Objekte gesucht oder gefunden, um sie vor und mittels der Kamera zu beschreiben, zu untersuchen oder mit ihnen zu interagieren. Mal geht es hierbei um das Verhältnis zwischen Objekt und Subjekt, mal um das Verhältnis zwischen Kunst- und Gebrauchsgegenständen. So sagte John Baldessari über Folding Hat, eine Videoarbeit, die er 1970-71 für die inzwischen legendäre Düsseldorfer Videogalerie des Kameramanns und Galeristen Gerry Schum produzierte: „Ich dachte an Flüchtigkeit, Veränderbarkeit, Mode und daran, dass die Unterscheidung zwischen einem Gebrauchsgegenstand und einem Kunstobjekt eine Frage der Intention ist.“ In jedem Fall reizten viele Künstler*innen die technischen Möglichkeiten, Objekte in ihrer Zeiträumlichkeit ermessen, festhalten, aber auch verändern und mit anderen Dingen und Gedanken verknüpfen zu können. So wurde von den Pionier*innen der Videokunst das videografische Readymade geboren.
John Baldessari Folding Hat 1970-71, 29:54 Min. (10 Min. Ausschnitt)
Terry FoxChildren‘s Tape 1974, 30:19 Min. (10 Min. Ausschnitt)
Jacques Louis NystL’Objet1975, 10:46 Min.
Jacques Louis NystLe Robot1975, 1:43 Min.
Klaus vom BruchDas Softyband 1980, 19:55 Min.
Mit einer Einführung von Holger Otten, Kurator Ludwig Forum Aachen.
Fr. 17.05.2019, 18 Uhr Museum Folkwang, Essen
Do. 13.06. 2019, 19 Uhr VIDEO BOX Stiftung imai, Haus der Universität Düsseldorf
Das Video Studio existierte am Museum Folkwang zwischen 1969 und 1994. Damit wurde es als erstes Museum in Deutschland zu einem Produktionsort für das damals noch junge Medium. Initiiert und gegründet vom langjährigen Direktor des Hauses, Paul Vogt, bot es Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit Videos zu produzieren und vorzuführen. Im Archiv des Museum Folkwang befinden sich heute zahlreiche Videos von Künstlerinnen und Künstlern sowie Aufnahmen mit dokumentarischem Charakter aus dieser Zeit. In den letzten Jahren sind diese Bestände digitalisiert worden.
Das im Rahmen der Kooperation Videoarchive erzählen zusammen gestellte Filmprogramm konzentriert sich auf künstlerische Arbeiten der 1970er- und 1980er-Jahre. Den Auftakt macht Gerd Belz, der die Zuschauer*innen als Hypnotiseur begrüßt und verspricht, deren künstlerisches Potential freizusetzen. Das Ende setzt Kain Karawahn mit seiner eindringlichen Arbeit This is an emergency / Notfall, in der er die laufende Kamera verbrennt. Dazwischen überblendet Franziska Megert positive mit negativen Bildern und Michael Buthe inszeniert in When love is wrong I don‘t want to be right Udo Kier als orientalischen König.
Gerd BelzFunke und Kraft 1986, 9:17 Min.
Klaus OsterwaldOhne Titel 1979, 5:00 Min.
VA WölflKreuzigung 1971, ca. 3:00 Min.
Franziska MegertPlus-Minus1982, 5:40 Min.
Franziska MegertPianosolo for Video1985/86, 5:00 Min.
Michael ButheWhen love is wrong I don‘t want to be right 1980, 18:12 Min.
Kain KarawahnThis is an emergency / Notfall 1988, 4:32 Min.
Mit einer Einführung von Dr. Anna Fricke, Kuratorin Museum Folkwang. Das Programm im Museum Folkwang findet im Rahmen der Reihe Video Folkwang statt. In Kooperation mit dem Kunstring Folkwang e.V., Verein der Freunde des Museum Folkwang.
Do. 27.06.2019, 19 Uhr VIDEO BOX Stiftung imai, Haus der Universität Düsseldorf
Do. 04.07.2019, 18 Uhr Ludwig Forum für Internationale Kunst Aachen
Fr. 13.09.2019, 18 Uhr Museum Folkwang, Essen
Die Stiftung imai wurde 2006 in Düsseldorf gegründet, um das Archiv des deutschen Videokunstvertriebs 235 Media zugänglich zu machen. Das Archiv mit Werken aus 50 Jahren Medienkunstgeschichte ist in seiner chronologischen Breite und seiner historischen Dimension bundesweit ohnegleichen. Konvolute von deutschen Künstler*innen wie Klaus vom Bruch, Marcel Odenbach, Ulrike Rosenbach, Jochen Gerz, Rotraut Pape und Maria Vedder werden ebenso verwahrt wie international bedeutende Videos von beispielsweise Dara Birnbaum, Gary Hill, Takahiko Iimura sowie Steina und Woody Vasulka. Dazu kommt eine Vielzahl von experimentellen Positionen aus den 1980er- und 1990er-Jahren, die in öffentlichen Sammlungen nicht zu finden sind. Regelmäßig wird das Archiv durch aktuelle Werke erweitert.
Einen Schwerpunkt im Archiv der Stiftung imai bilden künstlerische Videos, in denen − abseits des kommerziellen Musikvideos – die Synthese von zeitgenössischer Bildästhetik und Musik behandelt wird. Solche Videos spiegeln nicht nur die Gegenkultur der 1980er-Jahre wider, sondern sind auch Ausdruck einer intermedialen Do-it-Yourself-Praxis, in der Video als Produktions- und Distributionsmedium immer populärer wurde. Von innovativer Videotechnik ebenso inspiriert wie von zeitgenössischer Musik (Punk, New Wave, Rap) experimentieren die Künstler*innen mit der Ästhetik des Audiovisuellen.
Norbert Meissner/ Klaus Maeck Abwärts, Bei Mutti 1981, 12:06 Min.
Rotraut Pape Die Flieger – Trilogie #2: Ein Hoch auf das Bügeln 1984, Musik: Holger Hiller, 3:10 Min.
Marty St. James/ Anne Wilson Visual Art Songs for the 80’s: Beatnik 1984, 5:00 Min.
Gorilla Tapes Lo Pay – No way 1988, 6:32 Min.
George Barber The Greatest Hits Of Scratch Video Vol. I 1985, Ausschnitt ca. 4:00 Min.
Inge Graf und ZYX Achtung! Raum- Kontrolle 1986, 4:13 Min.
Chris Newman 3 Rock Videos: Dandruff, Jealousy, My Wife is French 1987, 11:28 Min.
Mit einer Einführung von Dr. Renate Buschmann, Direktorin Stiftung imai.
Fr. 14.06.2019, 18 Uhr Museum Folkwang, Essen
Do. 10.10.2019, 18 Uhr Ludwig Forum für Internationale Kunst Aachen
Seit ihrer Gründung im Jahr 1984 als eines der ersten Festivals für Videokunst in Deutschland fand die VIDEONALE regelmäßig alle zwei Jahre statt. Unter ihren Teilnehmer*innen finden sich wegweisende Namen wie u.a. Dara Birnbaum, Keren Cytter, Lynn Hershman, Gary Hill, Christian Jankowski, Klaus vom Bruch, Marcel Odenbach, Bill Viola – für viele dieser Künstler*innen war die VIDEONALE die erste Möglichkeit, ihre Werke einer internationalen Öffentlichkeit zu präsentieren. In ihrem Online-Videoarchiv macht die VIDEONALE ihre umfangreichen Archivbestände aus 35 Jahren Festivaltätigkeit der Öffentlichkeit zugänglich und bietet den Künstler*innen eine Plattform über die jeweilige VIDEONALE hinaus.
Die frühe Videokunst war geprägt durch das Experimentieren mit den Möglichkeiten der neuen Technologie. Künstler*innen nutzten die Videotechnik, um Bilder zu extrahieren, zu collagieren, zu manipulieren und so eine neue Bildsprache zu schaffen. Dabei ging es aber nie allein nur um die Ebene der Bildbearbeitung, sondern immer auch um die Frage, welche Auswirkungen eine zunehmende Technologisierung für zukünftige gesellschaftliche Entwicklungen haben könnte. Seit der ersten VIDEONALE im Jahr 1984 zeichnet sich die stetige technologische Weiterentwicklung in den zum Festival eingereichten Videoarbeiten deutlich ab. Während Virtual Reality in der frühen Videoarbeit von Bernd Kracke noch ferne analog gespielte Zukunftsmusik war und bei Mateusz Sadowski reale und virtuelle Welt noch klar umrissen ineinanderfließen, sind bei Stefan Panhans‘ Arbeit Freeroam À Rebours die Grenzen zwischen Mensch-Avatar-Maschine in der Welt des Gamings schon weitgehend aufgelöst. Was kann es daher in Zukunft bedeuten, wenn sich die Grenzen weiter in Richtung einer immer lebensnäheren Form der Virtualität verschieben?
Bernd Kracke Still Live 1986, 3:22 Min.
Mateusz Sadowski Volume 2013, 4:40 Min.
Lynn Hershman Leeson Desire Inc 1990, 26:00 Min.
Freya Hattenberger Sirene 2007, 3:30 Min.
Julie Kuzminska Chaos 1992, 3:00 Min.
Stefan Panhans Freeroam À Rebours, Mod#I.12016, 16:13 Min.
Mit einer Einführung von Tasja Langenbach, Künstlerische Leiterin Videonale und Sonja Wunderlich, Freie Kuratorin und Projektleitung Videoarchive erzählen.
Do. 09.05.2019, 19 Uhr VIDEO BOX Stiftung imai, Haus der Universität Düsseldorf
Fr. 18.10.2019, 18 Uhr Museum Folkwang, Essen